Die physiologische Basis des Lernens: Neuroplastizität

Für die neuronale Plastizität von kindlichen Gehirnen ist Bewegung dagegen elementar. So zeigen schon im Kindergartenalter motorisch besser ausgebildete Kinder bessere kognitive Leistungen, beispielsweise gibt es einen Zusammenhang zwischen Koordination und optischer Differenzierung: Ein Kind, das schaukeln und balancieren kann, kann auch Farben unterscheiden und benennen. Um Lernpotenziale nachhaltig zu fördern, sollte körperliche Aktivität in jeder Form also schon früh ermöglicht und unterstützt werden. vgl. 2

Erst flexibler

Kindliche Pfade

Gehirne von Kindern und Erwachsenen sind unterschiedlich, weil sie verschiedenen Anforderungen genügen. Das Kindergehirn ist sehr viel flexibler, es hat ungefähr 40 Prozent mehr Synapsen als ein Erwachsenengehirn. Die synaptischen Verbindungen, die zu neuronalen Karten werden, müssen erst entstehen – ähnlich wie Spuren, die gelegt werden. Manche Pfade werden nur selten begangen und verschwinden wieder, andere werden zu breiteren Wegen ausgetreten. Durch die Vielzahl von Synapsen ist der problemlose Auf-, Um- und Abbau von synaptischen Verbindungen möglich. Zwischen dem 18. und 24. Lebensjahr werden die „überzähligen“ Synapsen abgebaut.

Dann schneller

Myelinisierung

Dass Gehirne von Kindern relativ langsam arbeiten, hat vor allem zwei Ursachen. Erstens sind die synaptischen Verbindungen nicht so schnell, weil sie noch nicht so häufig genutzt wurden. Zweitens fehlt die Myelinschicht am Großteil der Axone. Bei Erwachsenen sind die Axone von der Myelinschicht umgeben, die sie elektrisch isoliert. Dadurch können Aktionspotenziale schneller übertragen werden. Die Myelinisierung, also das Isolieren der Axone durch die Myelinschicht, passiert in den verschiedenen Gehirnbereichen unterschiedlich schnell. Zuerst werden die Axone des sensorischen und motorischen Kortex myelinisiert, in dem Sehen, Hören und Tasten repräsentiert sind. In weiten Teilen des Forntalhirns dauert der Prozess bis ins Jugendalter und darüber hinaus. vgl. 11

Neue Neuronen – wichtig fürs Lernen

Nachwachsende Neuronen, die im Hippokampus entstehen, sind besonders wichtig für Lernprozesse. Die neuen Nervenzellen werden mit den neuronalen Bereichen verschaltet, in denen sie gerade gebraucht werden und sorgen dort für schnelleres Lernen als ältere Neuronen. Gerade beim Lernen und Erinnern von neuen Gedächtnisinhalten werden sie bevorzugt aktiviert. vgl. 14

Neue Neuronen

Eine Vielzahl von Hormonen und Proteinen, unter anderem BDNF, unterstützt das Wachstum der neuen Neuronen. Direkt fördert BDNF das Zellwachstum, indirekt die Verschaltung mit bestehenden synaptischen Netzen und damit die Plastizität. Es findet sich besonders zahlreich im präfrontalen Kortex und im Hippokampus. Durch neuronale Aktivität wird es dort vermehrt freigesetzt. vgl. 6

Kurzfristig verstärkt BDNF die Ausschüttung von Transmittern im Senderneuron und den elektrischen Impuls im Empfängerneuron. In der Folge werden langfristig synaptische Verbindungen stabiler. Umgekehrt führt ein Mangel an BDNF zu Lerndefiziten. vgl. 6