Bewegung, Sport und Spiel – was passiert im Gehirn?
Man geht davon aus, dass Gehirne zur Steuerung von Bewegung entstanden sind und dass in der Evolution zunächst Kognition nur über Bewegung möglich war. So lässt sich schlüssig erklären, warum körperliche Aktivität selbst höhere geistige Leistungen beeinflusst.
Wenn man sich bewegt, steigt also gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit einer kognitiven Reaktion. Dafür stellt das Gehirn ein erhöhtes Potenzial an struktureller Plastizität und Anpassungsfähigkeit zur Verfügung. Die Neuroplastizität, also die Anpassungsvorgänge im Zentralnervensystem, die durch unsere Lebenserfahrungen und damit auch durch den Sport bestimmt werden, macht unser Gehirn einzigartig.
Sport fördert die Neurogenese...
Beim Sport ist das ganze Gehirn gefordert – auch der Hippokampus. Dort wird die Neubildung von Nervenzellen durch körperliche Aktivität, vor allem durch Ausdauersport, entscheidend angeregt: Neurale Stammzellen entwickeln sich zu neuronalen Vorläuferzellen weiter, wandern an ihren Zielort und werden dort zu funktionsfähigen Neuronen. Die Zahl der neu gebildeten Nervenzellen lässt sich durch körperliches Training verdoppeln! Über viele Jahre hinweg wurde dieser Einfluss von Sport auf die Förderung kognitiver Funktionen unterschätzt.
... und die kortikale Plastiziät
Die kortikale Plastizität sorgt dafür, dass neuronale Karten im Kortex flexibel angelegt werden und an Größe zu- oder abnehmen können. Die kortikalen Karten unterliegen ebenfalls einer ständigen erfahrungsabhängigen Umorganisation durch körperliches Training. So zeigen sehr gute Badmintonspieler im Vergleich zu Anfängern eine größere Repräsentation der Hand im Motorkortex.
Im Vergleich von Volleyballspielern mit Läufern findet man bei den Volleyballspielern größere und überlappende Repräsentationen verschiedener Muskeln im Schulterbereich.
Je früher, desto besser
Je früher das Potenzial für eine erhöhte Plastizität des Gehirns angelegt wird, desto größer und langanhaltender ist der Nutzen. Schon vor der Geburt beginnen diese Anpassungsvorgänge. Bewegung gehört zu den wichtigsten Stimulationen des fetalen Gehirns – sowohl die eigene als auch die der Mutter. Man weiß, dass die sportliche Aktivität der Mutter während der Schwangerschaft die Plastizität des kindlichen Gehirns und seine Lernleistungen steigert.
Körperliche Aktivität: kurz- und langfristig sinnvoll
Kurze Bewegungseinheiten von 10 bis 15 Minuten fördern die Konzentration, wie mehrere Studien bei Grundschulkindern und auch älteren Schülern zeigten. Sowohl die Wahrnehmung als auch die Erinnerungsbildung sind nach diesen Bewegungseinheiten erhöht, was, wie man annimmt, unter anderem die Sprachprozessierung positiv beeinflusst.
Wirkung körperlicher Aktivität
- Bereits 10 bis 15 Minuten Bewegung fördern die Konzentartion.
- 3 Mal wöchentlich 20 Minuten koordinatives Training zeigte schon nach 6 Wochen erhöhte Lesekompetenz.
Ein 20-minütiges koordinatives Training, das drei Mal in der Woche mit 10- bis 11-Jährigen durchgeführt wurde, zeigte bereits nach sechs Wochen eine erhöhte Lesekompetenz der Schüler. Insgesamt wirkt sich körperliche Aktivität also positiv auf schulische Leistungen aus. Ein größeres Sportangebot in der Schule geht nicht zulasten anderer Bildungsbereiche – im Gegenteil.
Lernen braucht seine Zeit
Es tut sich also einiges beim Sport im Gehirn auf der Ebene von Synapsen – im Zeitraum von Sekunden bis Stunden, von Neuronen – im Zeitraum von Tagen bis Wochen – und neuronalen Karten – im Zeitraum von Monaten bis Jahren. So erklärt sich, dass Lernen auch, aber nicht nur im Sport, seine Zeit braucht. Bewegungsabläufe können vielleicht in einer Unterrichtsstunde oder in einer Unterrichtseinheit eingeübt werden. Bis man eine Sportart aber wirklich beherrscht, dauert es Jahre.